Michaela Penz
Geragogik
Gartenpädagogik

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Ein Gastbeitrag von Geragogin Ilse Zembaty, M.Ed.

 

 

 

Früher war der sechzigste Geburtstag so etwas wie ein Schreckgespenst. „Jetzt kann es nur mehr

bergab gehen” sagten viele und nahmen sich selbst jede Lebensfreude. Heute ist das teilweise ganz

anders: Vieie versuchen krarnpfhaft, sich weiterhin jugendlich zu geben. Ziehen sich wie Teenager

an, tragen viel Schminke auf und machen dadurch alles noch viel schlimmer. Warum all das? Weil wir

noch nicht breitenwirksam in Erfahrung bringen, dass das Leben ab Sechzig anders, aber deshalb

nicht weniger freudvoll ist.

 

Was ist ab Sechzig anders? Nun zunächst, man hat mehr Zeit. Das solite einen eigentlich besonders

freuen v doch nun beginnen sich auch Gedanken einzuschleichen, die man so gar nicht gern mag,

weil sie Fragen aufwerfen und einem vielleicht sogar Angst machen: Wie ist das eigene Leben bisher

verkaufen? Ist es nicht vorbei geflogen, ohne erkennbare Spuren zu hinterlassen? Was hat man falsch

gemacht? Wo hätte man rechtzeitig etwas ändern sollen? Warum ist alles so iangweiiig, ja oft

geradezu trostlos geworden? ist das Familienleben noch angenehm und ausgeglichen oder eher

frustrierend? Hat man dem Partner noch etwas zu sagen oder lebt man nur aus Gewohnheit so

neben einher? Hätte man sich nicht schon viel früher trennen sollen oder wäre nicht etwa jetzt eine

Scheidung zu überlegen?

 

All diese Gedanken sind aus dem Leben gegriffen. Meine liebe Haushaltshilfe Anna macht gerade

eine persönliche Krise durch und stellt sich die ernsthafte Frage, ob sie nicht das bisher gelebte Leben

hinter sich lassen sollte. Sie suchte eine Psychologin auf- ihr Mann übrigens auch — und diese

meinte, dass mit professioneller Hilfe nur etwa zehn Prozent aller Ehen gerettet werden können.

Diese pessimistischen Aussichten beunruhigen Anna natürlich noch mehr und ich muss ganz schön

viel Energie aufbringen, um ihr ihre Angst vor dem Ende ihrer Ehe auszureden. Ausreden ist dabei

nicht der richtige Begriff, denn ich bemühe mich, ihr neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Was ist denn

seit ihrer Eheschließung vor mehr als zwanzig.lahren denn so anders geworden? Nun, die beiden, ihr

Mann ein gesuchter Handwarker und sie haben sich nichts mehr zu sagen, meint Anna. Kunststück,

wenn man in den letzten Jahren auf beiden Seiten so viel gearbeitet hat. Inklusive Nebenjobs kommt

jeder von beiden so auf sechzig bis siebzig Wochenstunden, Samstag, Sonntag mit eingerechnet. Da

gab es keine Freizeitabenteuer, kaum gemeinsame Essen, fast keine Uriaube und natürlich auch

keine Gespräche mehr. Wie aber kann man dieser Entfremdung wirkungsvoll begegnen?

 

Zunächst muss man einsehen, dass man dem zu erringenden Wohlstand zu viel Zeit — kostbare

gemeinsame Zeit —geepfert hat. Nun gibt es zwar eine schön eingerichtete Wohnung, ein relativ

großes und teures Auto, aber die Freude daran will nicht mehr so recht aufkommen. Hans, Annas

Mann hat sich inzwischen dem Kegeln verschrieben und sich im Kegelklub einen eigenen

Freundeskreis aufgebaut. Kein Trost für Anna, denn nun ist er zum Wochenende meist unterwegs

und Zeit für ein Miteinander gibt es kaum noch. Also überlegt Anna insgeheim eine Trennung in der

Hoffnung, vielleicht doch noch einen anderen Lebenspartner zu treffen.

 

Mich kostet es viel Energie, Anna zu erklären, dass eine Scheidung keine gute Idee ist. Anna ist das

Alleinsein nicht gewohnt — und ich traue es ihr auch nicht zu. Sie ist nicht selbständig genug und hat

zu wenig eigene Interessen, um ihr Leben wirklich in die Hand zu nehmen. Besser wäre es also, die

gemeinsamen Fehler aufzuarbeiten und mehr Zeit für einander zu haben. Anna hat das große Glück,

dass ihr Mann ebenfalls noch an der Ehe festhalten will und bereit ist, auf sein Hobby zumindest

teilweise zu verzichten, bzw. die Zeit dafür einzuschränken. Ein gemeinsamer Urlaub, der beiden

Freude machte, brachte alles Wieder ins Lot. Die Aussichten, ihre Ehe auch jenseits der Sechzig noch

freudvoll zu gestalten, stehen 3150 gar nicht so schlecht.

 

Diese kleine Episode zeigt uns, dass wir um eine Bestandsaufnahme zum Ende unserer aktiven

Berufszeit wohl in den seltensten Fällen herumkommen. Zu viel hat sich zwischenzeitlich, fast

unbemerkt, geändert. Meist gilt das auch für das Familienleben, das wohl nicht mehr so eng ist.

Wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist man zwangsläufig mehr mit sich selbst beschäftigt. Das

gefällt manchen gar nicht, denn wir alle sind Gewohnheitstiere. die vor gravierenden Änderungen

zurückschrecken. Diese aber sind unumstößlich notwendig, wollen wir die nächsten zehn, zwanzig

dreißig Jahre möglichst gesund und sinnerfüllend erieben.

 

Es ist mir wichtig zu betonen. dass die Jahre ab Sechzig Genussjahre sein sollten und dass jeder,

unabhängig von finanzieller Lage und sozialer Umgebung, sie nach eigenen Vorstellungen gestalten

kann. Man hat sowohl seine Gesundheit als auch seine persönliche Energie weitgehend in der

eigenen Hand, wenn man nur ein paar Dinge berücksichtigt. Um welche Voraussetzungen es sich

dabei handelt, wollen wir in den nächsten <kapiteln diskutieren.

 

 

 

Michaela Penz, Neunkirchner Str. 52/2/12, 2700 Wr. Neustadt, Tel. 0676/9244476