Ein Gastbeitrag von Geragogin Ilse Zembaty, M.Ed.
No-Gos für ein aktives Leben im Alter.
Es ist im Alter nicht viel anders als in jüngeren Jahren: Manche
Verhaltensrnuster sind gut für unser Wohlbefinden — andere beeinträchtigen
unsere Gesundheit. Die Grenzen zwischen mittlerem Lebensalter und den
Jahren ab Sechzig sind fließend oder sollten es zumindest sein. Nur unmerklich
verändert sich unser Lebensstil, wird langsamer, vielleicht auch bewusster und
damit reflexiver. Wir beginnen mehr und mehr über uns nachzudenken und
teilweise auch unsere Persönlichkeit zu verändern. Das ist gut so, vor allem
wenn wir die positiven Seiten stärken und um das Negative in und um uns
Bescheid wissen, damit wir es mehr und mehr hintanhalten können.
Eine der wichtigsten Verhaltensweisen, die uns alarmieren solite, ist
Selbstmitleid. Es hindert nicht nur unser Aktivitätsniveau, sondern spaltet
geradezu unsere Persönlichkeit. Ein Teil unseres Seibst sieht dem anderen bei
seinem Tun, seinen tägiichen Belästigungen und Behinderungen, seiner
Unpässlichkeit oder Krankheit zu und bedauert diese Beeinträchtigungen. Das
mag für den Augenblick sogar einen fadenscheinigen Trost spenden — aber
diese Art von Trost ist kontraproduktiv und verleitet zu Resignation und damit
Passivität.
Selbstmitleid hat nichts mit Verständnis für sich selbst zu tun. Verständnis, dass
man vieies nicht mehr so schafft wie in den mittieren1ahren‚ Verständnis, dass
man sich teilweise neu organisieren muss, um zu erreichen, was einem immer
noch wichtig ist, Verständnis, dass man nicht auf angebotene Hilfe verzichten,
sondern diese froh und dankbar annehmen, aber nicht übermäßig strapazieren
soll.
Selbstmitleid blockiert unsere Fähigkeiten, weiterhin kreativ zu sein und eine
neue Herangehensweise an die Anforderungen unseres Alltags zu entwickeln.
Es ist erstaunlich, wie wir mit ein paar „Zwischenschritten" nahezu das Gleiche
erreichen können wie früher. Denken Sie nur an den täglichen Einkauf. Früher
gingen Sie zweimal in der Woche für die ganze Familie einkaufen und
schleppten schwere Taschen nach Hause. Heute kaufen Sie ein Drittel oder ein
Viertel davon und marschieren mit leichtem Gepäck, dafür halt ein paar Mal
öfter. Ähnlich ist es mit der ganz natürlich auftretenden Vergesslichkeit.
Zunächst konzentrieren Sie sich darauf, ganz bestimmt an etwas zu denken —
immer öfter aber verwenden Sie einen Zettel und notieren sich ein paar
Stichworte. Schlimm? Keineswegs, wenn man dem nachlassenden Gedächtnis
mit Humor begegnet.
Was wir keineswegs zulassen sollten, ist Lethargie. Es ist so einfach, sich gehen
zu iassen und ein wenig nachlässiger zu werden. Wieder auf den ersten Blick:
ein ganz angenehmes Wohlgefühl, das wir uns aber nicht zur (schlechten)
Gewohnheit machen sollten. Lethargie führt geradewegs in eine Passivität, die
wir niemals, wirklich niemals aufkommen lassen dürfen.
Lethargie sollte nicht mit Geruhsamkeit verwechselt werden. Wenn wir lernen,
uns richtig einzuschätzen. dann wissen wir auch, was wir uns zumuten können
und was nicht. Siehe „leichtere Einkaufstasche“. Wir wollen weiter Spaß am
Einkaufen haben, aber es ist beschwerlich zu viel zu tragen — also verringern wir
das Gewicht, um es noch immer mit Vergnügen nach Hause zu tragen. Sie
sehen also, wie wichtig unser Gehirn für die späten Jahre ist. Vieles müssen wir
genauer und besser planen, bevor wir es ausführen. Vieles ist nicht mehr
selbstverständlich, sondern muss an veränderte Lebensbedingungen angepasst
werden. Es ist gerade diese Anpassungsfähigkeit, die uns das Leben auch
weiterhin besonders iebenswert macht!
Ein weiteres „No-Go“ ist Ärger. Natürlich läuft nicht immer alles so, wie wir uns
das vorsteilen. Wir sind ja nicht alleine auf der Welt und unsere Umgebung
versteht oft gar nicht, dass wir uns in einem Prozess ständiger Veränderungen
befinden. Manche reagieren ungehalten, wenn wir nicht so gründlich und
schnell wie früher funktionieren, öfter durchsetzen wollen, was wir für gut
halten und vieiieicht manchmal sogar eigensinnig sind. Wir sollten
gegengesetzten Meinungen anderer im Alter aber nicht mit Ärger begegnen.
Wir sollten uns bemühen, Menschen zu erklären, warum wir so und nicht
anders handeln wollen, wir können unterschiedliche Ansichten aber auch
einmal so im Raum stehen lassen, ohne dass irgendjemand dies als Beleidigung
empfinden sollte.
Und was ist mit dem ständigen Blick nach rückwärts? War früher wirklich alles
anders? Hatten wir das Leben besser im Griff? Hatten wir mehr zu reden und
mehr zu bestimmen? Sind wir ohnmächtiger geworden? Keineswegs, denke ich.
Es hat sich um und in uns nur vieles geändert — und diese Änderungen gilt es
nun festzustellen und in ein etwas anders verlaufendes Leben einzubringen. Für
alles, was einem nicht mehr so von der Hand geht wie früher, gibt es meistens
eine neue Sichtweise, die sehr befriedigend sein kann man muss sie nur
entdecken!